Fachbereich Normenwesen
SIA 2057 - Glasbau
Mit der Einführung des Merkblatts SIA 2057 schliesst sich eine Lücke im Bereich der Bemessung um das Thema Glas.
1.1 Einleitung
Wie alle von Grund auf neuen Normen hat die SIA 2057 grundsätzlich den Status eines Merkblatts und gilt somit explizit nicht als Norm. Alternativ zur SIA 2057 gibt es in der Schweiz nur noch die Norm SN EN 16612. Unterscheiden tut sich die SN EN 16612 und SIA 2057 massgebend darin, dass die SN EN 16612 lediglich für «Verglaste Elemente, die als Ausfachung dienen» vorgesehen ist, während die SIA 2057 auch für die Bemessung von «Tragenden Bauteilen aus Glas» vorgesehen ist. Die SIA 2057 ist als Tragwerksnorm konzipiert und gliedert sich somit thematisch in der SIA 26ff – Normenreihe ein. Vor der offiziellen Bezeichnung als Merkblatt 2057 lief der Arbeitstitel unter der Bezeichnung SIA 268.
1.2 Umdenken in der Bemessung
Mit der der SIA 2057 ist der Wechsel von der «deterministische» zur «semiprobabilistischen» Bemessung nun abschliessend in Bereich der Glasbemessung in der Schweiz angekommen. Zwar wurden auch vorher in der Schweiz schon «semiprobabilistische» Normen wie z.B. die DIN 18008 oder die Ö-Norm B 3716 angewendet, gleichzeitig fanden sich aber auch immer wieder Bemessungen nach «deterministischem» Konzept der TRLV/TRAV, wie auch nach den Anhängen der SIA 331 und 329, die sogar noch heute einen Teil der Grundlagen für das Konzept der «zulässigen Spannungen» enthalten. Gerade aber SIA 331 und 329 machen keine Aussage zur Lastfallbildung bei «deterministischer» Bemessung, was in der Praxis zur einem «Wildwest-Szenario» in der Lastfallbildung geführt hat.
1.3 Auswirkungen der SIA 2057
Die Einführung der SIA 2057 blieb, zumindest grössten Teils, nicht unbemerkt und schnell gab es auch Fachartikel und Aussagen aus der Industrie dazu. Es folgten Überschriften wie z.B.: «…dass vermehrt dickeres oder vorgespanntes Glas für den Einbau eingesetzt werden muss.1». Setzt man sich mit der Norm auseinander und hat diese grundlegende verstanden, so eröffnet sich ein anderes Bild. Die SIA 2057 führt zu einer differenzierten Betrachtung eines Bauteils aus Glas und deren Zustände. So wird z.B. nicht einfach ein übertrieben grosser Materialsicherheitsfaktor proklamiert, welcher zwar in einem theoretischen Bemessungsfall viel Sicherheit bringt, aber bei einem unvorhergesehenen Bruch durch ein Fehlverhalten eines Nutzers, eine nicht berücksichtigte Situation und ein entsprechendes Gefahrenmoment mit sich bringt. Konkret wird konstruktionsspezifisch differenziert, nebst der Tragsicherheit auch ein sicheres Bruchverhalten, sowie die Tragfähigkeit in gebrochenem Zustand gefordert. Diese differenzierte Betrachtung trägt massgebend dazu bei, dass keine unverhältnismässig hohen Materialsicherheitsfaktoren zum Einsatz kommen. Dies führt wiederum dazu, dass die Norm bei korrekter Anwendung nicht zu unwirtschaftlicheren Konstruktionen führt. Auch das leidige Thema der Klimalasten wird differenziert betrachtet. Ist z.B. ein 3-fach Isolierglas nur infolge Klimalasten überlastet, so kann die Scheibe mit der höchsten Überlastung als gebrochen betrachtet werden und ein Nachweis ohne diese Schicht als 2-fach Isolierglas geführt werden. Kann die Tragfähigkeit mit dem übriggebliebenen 2-fach Isolierglas nachgewiesen werden, so wird die Tragfähigkeit als erfüllt betrachtet, ohne dass ein unnötiges Härten von Teilen oder dem gesamten Glasaufbaus notwendig wird.
1.4 Fazit SIA 2057
Auch wenn sich der Autor teilweise noch nach den Zeiten der TRLV/TRAV sehnt, in denen z.B.: eine Floatglas noch ohne kmod-Werte nur eine Festigkeit hatte und man sehr schnell ein Gefühl für die Tragfähigkeit von Gläsern entwickelt hat. So ist es nun mal so, dass die Glasfestigkeit eine Funktion der Einwirkungsdauer ist und die SIA 2057 ein zeitgemässes Regelwerk für die Bemessung darstellt.
Verfasser: Daniel Schärer, MSc Bau-Ing. FHZ/SIA